Gegenüber Vieregge mahnten die beiden Branchenexperten einige Kernforderungen an die Politik an. Hierzu gehören Bürokratieabbau, Flexibilität insbesondere beim Arbeitszeitgesetz, weniger Reglementierung und Steuergerechtigkeit.
Das Mindestlohn- und Arbeitszeitgesetz brennen den gastgewerblichen Unternehmern besonders unter den Nägeln. „Dabei geht es nicht um das Geld, sondern um die neu eingeführte Dokumentationspflicht der Arbeitszeit“, erklärt Lohhof. Der 65jährige Gastronom versteht sich als Bindeglied zwischen Verband und Praxis. 1979 eröffnete er die Gaststätte „Fuchsbau“ in der Detmolder Innenstadt, die sehr schnell zur Kult-Kneipe wurde. Seit 1998 betreibt Lohoff „Strate‘s Brauhaus“ in der Langen Straße in Detmold. Öffnungszeiten von 10:00 Uhr bis Mitternacht sind nicht nur dort Standard und müssen mit ausreichend Personal besetzt werden. „Da macht es uns das Arbeitszeitgesetz, das es übrigens schon länger gibt, das aber erst jetzt von den Zollbehörden streng kontrolliert wird, sehr schwierig“.
10 Stunden pro Tag - das ist laut Gesetz das Maximum, das ein Arbeitnehmer leisten sollte und darf, auch wenn er, wie häufig in der Gastronomie, aus freien Stücken mehr arbeiten will, um sich bei einem Zweitjob was dazu zu verdienen. „Wie sehen das denn die Mitarbeiter, also diejenigen, deren Interessen das Gesetz eigentlich vertreten soll“ wollte die CDU- Kreisvorsitzende wissen. Dazu brachte DEHOGA Geschäftsführer Buhrke zwei Beispiele, die deutlich machten, dass die im Zuge des Mindestlohngesetzes in der Gastronomie neu eingeführte Arbeitszeitdokumentation und die starre Höchstarbeitszeit von zehn Stunden nicht im Interesse der Mitarbeiter, Gäste und Unternehmer sein können.
Eine in Teilzeit arbeitende Büroangestellte (25 Stunden pro Woche) will sich am Wochenende im Service in der Gastronomie etwas dazuverdienen. Am liebsten würde sie jeden Freitag von 18-24 Uhr aushelfen. Geht nicht! Sagt das Arbeitszeitgesetz. Da sie am Freitag bereits in ihrem Büro von 9 bis 14:00 Uhr gearbeitet hat, darf sie den sechsstündigen Servicedienst nicht übernehmen. Die Mitarbeiterin wird also daran gehindert, sich etwas hinzu zu verdienen! Dieses Beispiel macht deutlich, dass das gesetzliche Arbeitszeitdiktat auch nicht im Interesse der Mitarbeiter stehen kann.
Das unflexible Arbeitszeitdiktat ist aber auch nicht im Interesse der Gäste und Unternehmer was an folgendem Beispiel deutlich wird: Eine Gruppe ist für 19.00 Uhr angemeldet. Kurz vor der geplanten Ankunft wird telefonisch mitgeteilt, dass man staubedingt voraussichtlich erst gegen 22.00 Uhr eintreffen wird, aber selbstverständlich dann das bestellte 3-Gang-Menü noch einnehmen möchte. Auch bei diesem Sachverhalt ist maximale Flexibilität ganz im Sinne guter Gastfreundschaft gefordert und ein Überschreiten der täglichen Höchstarbeitszeit von 10 Stunden im Einzelfall nicht auszuschließen.
Der DEHOGA schlägt deshalb vor, das Arbeitszeitgesetz von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umzustellen. So können Arbeitszeiten individueller und flexibler auf die Wochentage aufgeteilt werden.
Weiterhin wollte Vieregge wissen, ob das verfolgte Gesetzesziel, Aushilfsarbeitskräfte in feste, sozialversicherungspflichte Arbeitsverhältnisse zu überführen, erreicht werde. Dazu Lohoff: „Bei uns eher nicht, denn kaum jemand wird für das stundenweise Kellnern am Abend oder am Wochenende seine Hauptbeschäftigung an den Nagel hängen“. Für die meisten Aushilfen in der Gastronomie sei der „Kellner-Job“ ein Zubrot. Insgesamt sieht der DEHOGA Lippe-Präsident im Arbeitszeitgesetz kaum Benefits für beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Lohoff nennt das Gesetz ein „Arbeitszeit-Diktat“, das nach Kollegenbefragungen mehr schade als nütze. Die negativen Folgen beschreibt er wie folgt: „Dienstpläne müssen geändert, zusätzliche Ruhetage eingeführt und das Mittagsgeschäft eingeschränkt werden“.
Vieregges Frage nach den Einbußen für den Kreis Lippe im Bereich von Tourismus-Attraktivität und Steuereinnahmen verneinte der Verbandspräsident. Es habe lediglich eine flexiblere Gestaltung der Öffnungszeiten gegeben. Insgesamt jedoch „boome“ die Gastronomie-Branche – auch in Lippe. Das bestätigte auch DEHOGA Lippe-Geschäftsführer Kai Buhrke: „Bundesweit verzeichnet die Gastronomie einen Zuwachs von 4,2 Prozent. In Lippe können einzelne Betriebe sogar zweistellige Zuwachszahlen vermelden“. Diese seien, so Buhrke, „am Puls der Zeit geblieben mit regelmäßigen Investitionen in ihre Betriebe“. Die Zahlen sind erfreulich, doch steigende Umsätze sind noch kein Garant für bessere Betriebsergebnisse. Insbesondere der Mindestlohn hat der Branche höhere Personalkosten, erhebliche bürokratische Mehrbelastungen und damit Ertragseinbußen beschert.“ Auch die starren Arbeitszeitvorschriften belasteten die Betriebe.
In Lippe sei ein spürbares „Wirtshaus-Sterben“, vor allem auf dem Land zu verzeichnen. Viele Betriebe wechselten vom Haupt- zum Nebenerwerb da die Umsätze weggebrochen sind. Das liege am veränderten Konsum- und Ausgehverhalten. Dazu Lohoff: „Wir stellen einen Abschied vom täglichen Gaststätten-Gang wie ihn die Generation unserer Schwiegerväter noch praktizierte hin zum Ausgehen als Event fest“. Die Bilanz sei dennoch ausgeglichen erklärte Lohoff: „Wir haben zwar über die Jahre hinweg Betriebe verloren. Unterm Strich aber mit Neueröffnungen und Übernahmen können wir eine relativ konstante Zahl vermelden“.
Auf die Nachfrage der CDU-Kreisvorsitzenden, wie sich der Tourismus auf die Situation der Gaststätten auswirke, zeigte sich Buhrke mit der Situation in Lippe ausgesprochen zufrieden: „Wir hatten letztes Jahr 1,6 Millionen Übernachtungsgäste in Lippe. Auch vom Tagestourismus profitieren unsere Betriebe“. Ein Lob sprach der DEHOGA-Präsident Lohoff in diesem Zusammenhang der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Lippe Tourismus Marketing aus: „In Detmold funktioniert das richtig gut“.
Ein weiteres Branchenthema ist die Steuergerechtigkeit. Für die Wettbewerbsfähigkeit der Restaurants ist die steuerliche Gleichbehandlung elementar wichtig. „Die Tütensuppe, das Hundefutter oder die Fertigpizza im Discounter 12 Prozent niedriger zu besteuern als die frisch zubereitete Speise im Restaurant, ist unfair“, kommentierte der DEHOGA-Präsident. Vor allem, weil die klassische Gastronomie unglaublich arbeitsintensiv ist. Auf den gleichen Umsatz kommen sechs mal mehr Beschäftigte als im Lebensmitteleinzelhandel.
Seit Dezember 2014 müssen Gastwirte ihre Gäste aufgrund einer europäischen Verordnung über Allergene in ihren Speisen und Getränken informieren. Viel Bürokratie – wenig Nutzen, so das Fazit des lippischen DEHOGA-Präsidenten: „Seit Einführung im Dezember 2014 hat bei uns kein einziger Gast jemals die Informationen in Anspruch genommen oder danach gefragt.“