CDU Kreisverband Lippe

CDU Lügde - Diskussion zum Thema Ärztemangel

Arzt vor Ort statt Patienten im Bus

Er gilt als „streitbarer Mediziner“. Schon seit Jahren weist Dr. Bertel Berendes, Hausarzt in Lügde auf den Ärztemangel auf dem Land hin. In einer vom CDU Stadtverband Lügde organisierten Veranstaltung zum Thema „Warten bis der Arzt kommt“ äußerte sich der Mediziner, gemeinsam mit Berufskollege Dr. Rainer van Elten, Walter Kern (MdL CDU), Dr. Christian Tennie (CDU Lügde) und Lügdes Bürgermeister Heinz Reker zum Zukunftsszenario der ärztlichen Versorgung auf dem Land. Ärzte als Freelancer, Patientenbus statt Arzt vor Ort – wie ist es bestellt um den „Landarzt in Lippe“?
„Streitbarer Mediziner“, der seit Jahren auf den Mangel an Landärzten hinweist: Dr. Bertel Berendes, Lüdge (re.) mit Berufskollege Dr. Rainer van Elten (li.) und Meinolf Haase (re., Leiter Bevölkerungsschutz Lippe).„Streitbarer Mediziner“, der seit Jahren auf den Mangel an Landärzten hinweist: Dr. Bertel Berendes, Lüdge (re.) mit Berufskollege Dr. Rainer van Elten (li.) und Meinolf Haase (re., Leiter Bevölkerungsschutz Lippe).
„Es ist nicht mehr fünf vor zwölf oder fünf nach, sondern bereits 18 Uhr“, stellte der Mediziner fest und untermauerte diese Aussage mit Zahlen. Das Durchschnittsalter der Ärzte in NRW betrage 57 Jahre. Berendes: „Beten Sie für die Gesundheit Ihrer Landärzte“, denn im Schnitt liege die Zeitspanne von der Aufnahme des Medizinstudiums bis zur Niederlassung als Arzt bei fünfzehn Jahren. Während vor rund zehn Jahren 12.800 Allgemeinmediziner eine Praxis eröffneten oder übernahmen, waren es im letzten Jahr noch knapp die Hälfte: 9.300. Die Zahl der Studierenden zeigt ebenfalls den stark rückläufigen Trend bei Allgemeinmedizinern. „Als ich 1967 meinen Facharzt Allgemeinmedizin ablegte, lag die Quote der „Allgemeinmediziner“ bei sechzig Prozent aller Studierenden“, so Berendes. 2005 schrumpfte der Anteil auf dreißig Prozent, 2012 waren es noch knapp zehn Prozent, denn anders als gemeinhin angenommen, dauert das Studium der Allgemeinmedizin ebenso lange wie eine Facharztausbildung, die jedoch mit Praxis in entsprechender Stadtlage wesentlich lukrativere Verdienstmöglichkeiten biete.
 
Warum Mediziner nicht „raus auf’s Land“ und in den Job des Hausarztes einsteigen möchten, erläuterte Berufskollege Dr. Rainer van Elten. „Deutschland ist weltweit das einzige Land, das Mediziner in die Regresspflicht nimmt, wenn sie ihr Budget überlasten“. Van Elten wendet sich vehement gegen die „staatliche Rationierung“. Er selbst habe sechs Wirtschaftlichkeitsprüfungen überlebt. „Andere Kollegen haben deshalb Selbstmord begangen. Wir Ärzte begleiten unsere Patienten im Leiden und in den Kosten bis hin zur persönlichen Insolvenz“. Vor allem Eltern von schwerstbehinderten Kindern hätten die Folgen zu tragen, wenn Ärzte in ihrem Verschreibungsbudget beschnitten werden. Die Herausnahme kostenintensiver krankengymnastischer Behandlungen aus dem Verschreibungsbudget sei, anders als öffentlich erklärt, „nicht verhandelbar“. „Ich habe Schreiben mit entsprechendem Wortlaut vorliegen“, so van Elten. Auch er sieht, wie Berufskollege Berendes die Politik in der Pflicht und fordert ganz klar: „Regresse müssen weg“!
 
Die Politik, die äußerte sich mit Eröffnungsredner Walter Kern (MdL, Mitglied des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales), der mit Berendes der Meinung ist: „Ostwestfalen steht vor einem medizinischen Kollaps“.  Unverzichtbar ist für den CDU-Politiker – und diese Forderung findet sich im Gesamtparteiprogramm der CDU NRW – daher eine medizinische Fakultät in OWL, eine stärkere Gewichtung des Studiengangs „Humanmedizin“ sowie Anreize für eine Niederlassung junger Ärzte auf dem Land. 

Bürgermeister Heinz Reker betonte: „Die Stadt Lügde wird sich etwas einfallen lassen müssen – beispielsweise mit dem Bau eines Arztzentrums. Aber wenn es keine Ärzte gibt …“. Bereits seit Jahren vermiete die Stadt im alten Postgebäude Praxisräume an einen Mediziner vor Ort. Der Zuschuss für zukünftige Landärzte, für den NRW Mittel von 50.000 Euro pro Arzt zur Verfügung stellte, scheiterte laut Reker in der Praxis: „In NRW wurde dies  keine zehn Mal, in OWL gerade zwei Mal in Anspruch genommen“.
 
Einig waren sich die Referenten darüber, dass bei diesem dringlichen Thema die Politik gefordert sei, denn – so Reker mit Blick auf die Haupteinnahmequelle einer Kommune, die Gewerbesteuer:  „Die medizinische Versorgung wird bald auch ein harter Standortfaktor für Unternehmen“.  
 
Beschlossen ist, dass sich der Kreis Lippe der Vereinsgründung „Pro medizinische Fakultät“ anschließen wird. Diese sei noch im April geplant. Walter Kern ging noch einen Schritt weiter und erklärte, dass es „wenn die öffentliche Hand es nicht kann“ bereits Überlegungen gäbe, eine private Universität in OWL zu gründen.