CDU Kreisverband Lippe

Offener Brief Bauernproteste

Wir teilen die Anliegen der Bauern und unterstützen ihre friedlichen Proteste.

Solidarität mit unserer heimischen Landwirtschaft,
Forstwirtschaft und dem Gartenbau

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler,
sehr geehrte Herren Bundesminister,
die CDU Nordrhein-Westfalen und die CDU-Landtagsfraktion Nordrhein-Westfalen stehen entschieden an der Seite unserer Landwirtschaft, Forstwirtschaft und des Gartenbaus. Wir teilen die Anliegen der Bauern und unterstützen friedliche Proteste. Demokratie lebt von Debatte, Rede und Gegenrede. Daher distanzieren wir uns in aller Deutlichkeit von Gewalt und Grenzüberschreitungen, wie sie z. B. am gestrigen Tag stattgefunden haben. Diese sind inakzeptabel und widerspre-
chen unseren demokratischen Grundwerten.
Diese klare Verurteilung ändert nichts an unserer Kritik an den jüngst bekannt gewordenen Sparvorschlägen Ihrer Bundesregierung, die ursprünglich zu einer zusätzlichen Steuerlast von circa 1 Mrd. € jährlich führen sollten. Auch nach Rücknahme der geplanten Abschaffung der Kfz-Steuer wird sich die stufenweise Abschaffung der Steuerrückerstattung beim Agrardiesel zu einer
erheblichen finanziellen Belastung unserer Grünen Branche entwickeln. Diese Maßnahme wirkt sich direkt kürzend auf das Einkommen der Familienbetriebe aus und stellt einen Wettbewerbsnachteil im europäischen und internationalen Vergleich dar.

Die Landwirtschaft ist das Fundament unserer Versorgungs- und Ernährungssicherheit. Die vorgesehenen Kürzungen belasten die gesamte Branche. Neben der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und dem Gartenbau werden zusätzlich die in den Wertschöpfungsketten verbundenen Unternehmen im vor- und nachgelagerten Bereich der Primärproduktion belastet. Es ist davon auszugehen, dass dieses die Wirtschaft in den ländlichen Räumen weiter schwächen wird. Angesichts des intensiven Wettbewerbs auf dem europäischen Markt wird es den Betrieben der Ernährungswirtschaft nicht möglich sein, die zusätzlichen Belastungen an ihre Kunden weiterzugeben.
Die Streichung der Vergünstigung steigert die Kosten spürbar für die hochwertigen und regionalen Lebensmittel sowie die forstwirtschaftlichen und gartenbaulichen Produkte.

Es ist von Bedeutung, dass die Landwirtschaft, Forstwirtschaft und der Gartenbau als nachhaltige und ernährungssichernde Branchen anerkannt werden, die unter höchsten sozialen und ökologischen Standards wirtschaften und hierfür die gesellschaftliche Unterstützung benötigen.
Neben dieser zentralen Rolle der Lebensmittelerzeugung erfüllt die Land- und Forstwirtschaft wichtige gesellschaftlich anerkannte Aufgaben, beispielweise in der Energieerzeugung, dem Anbau von nachwachsenden Rohstoffen, dem Vertragsnaturschutz und der Landschaftspflege. Bei all diesen Aufgaben ist der Einsatz von Technik und damit auch der Verbrauch von Betriebsmit-
teln wie z. B. Diesel essenziell und aktuell alternativlos.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Grüne Branche dem Arbeitskräftemangel sowie dem stetig steigenden Preisdruck mit einer stark ansteigenden Technologisierung begegnet. Diese führt schlussendlich logischerweise zu einem fortlaufenden Anstieg des Energieverbrauchs.

Mit der Einführung des Landwirtschaftsgesetzes wurde bereits 1955 festgestellt, dass viele Bauern nicht in der Lage sind, für die in ihrem Betrieb geleistete Arbeit ein Einkommen zu erzielen,
das mit der Entlohnung in ähnlichen Berufsgruppen, wie beispielsweise im Handwerk oder in der Industrie, vergleichbar wäre. Verglichen mit anderen Wirtschaftsbereichen ist der mit dem eingesetzten Kapital erzielte Überschuss unterdurchschnittlich. Dieses Problem der natürlichen Einkommensdisparität wird regelmäßig durch den Agrarbericht der Bundesregierung erneut aufgezeigt, verbunden mit dem Auftrag, diese zu schließen. Mit der Abschaffung der Steuerrückerstattung beim Agrardiesel plant die Bundesregierung gerade genau das Gegenteil.
Weiter wird von der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und dem Gartenbau stetig eingefordert, Pflanzenschutzmittel zu reduzieren. Diese gewollte Reduzierung führt jedoch automatisch zu mehr mechanischer Bodenbearbeitung auf den Ackerflächen und damit zu einem höheren Dieselverbrauch für die zusätzlichen Fahrten – durch die Streichung der Agrardieselrückvergütung werden Betriebe benachteiligt, die sich dieser Herausforderung annehmen. Auch aus diesem
Grund lehnen wir den Wegfall der Agrardieselrückvergütung entschieden ab.
Bei der Einführung der Mineralölbesteuerung, die Grundlage für die Agrardieselerstattung ist, wurde bereits festgelegt, dass etwa die Hälfte der eingenommenen Mittel für den Bau von Bundesfernstraßen verwendet werden soll. Daher ist die Sonderstellung von Fahrzeugen, die einen Großteil ihres Diesels bei der Flächenbewirtschaftung verbrauchen, nachvollziehbar begründet und bis heute unverändert.
Während andere Wirtschaftszweige in Deutschland aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Herausforderungen von einer Energiesteuerentlastung profitieren, wird die Grüne Branche hiervon komplett ausgeschlossen. So entsteht ein Ungleichgewicht: einerseits wird – berechtigterweise – die Wirtschaft im Energiebereich entlastet, anderseits wird ein anderer Sektor der Wirtschaft, wie die Landwirtschaft, durch die Verteuerung der Energiesteuer auf Diesel zusätzlich
belastet.
Zusätzlich zu den geplanten Streichungen der Agrardieselbeihilfe soll die CO2-Bepreisung angehoben werden. Dies verteuert den benötigten Kraftstoff für die Land- und Forstwirtschaft, aber auch für die gartenbaulichen Betriebe gleich doppelt.
Wir halten die Maßnahmen für einen gravierenden Fehler.
Mit den Kürzungen entsteht ein massiver Wettbewerbsnachteil im europäischen Binnenmarkt; aber auch die Zukunftsfähigkeit unserer Agrarwirtschaft steht auf dem Spiel. Damit unsere Landwirtschaft die hohen Anforderungen an Biodiversität, Umweltschutz, Tierwohl und Klimaschutz erfüllen kann, benötigen unsere Landwirtinnen und Landwirte konkrete Perspektiven und gezielte Unterstützung zur Umsetzung dieser Ziele. Mit den geplanten Kürzungen wird diese Branche jedoch überproportional belastet.
Viele Landwirte sind schon jetzt aufgrund der wirtschaftlichen Lage und den Belastungen durch die Umsetzung von Verordnungen und Gesetzen in ihrer Existenz bedroht. Viele Familienbetriebe – teils über Generationen geführt – stehen vor der Betriebsaufgabe. Junge Menschen entscheiden sich gegen eine Übernahme des Hofes oder eine Ausbildung in den Grünen Berufen.
Wir verstehen die Verzweiflung der Branche, denn es geht um die Existenz ihrer Betriebe.

Wir appellieren eindringlich an die Bundesregierung, die undurchdachten Maßnahmen im Hinblick auf ihre langfristigen Auswirkungen auf die Agrarbranche und ländlichen Räume vollumfänglich zurückzunehmen. Es ist entscheidend, dass Sie eine Politik verfolgen, die sowohl die wirtschaftliche Lebensfähigkeit unserer Land-, Forstwirte und Gartenbaubetriebe als auch die ökonomische und ökologische Konkurrenzfähigkeit unserer ländlichen Regionen sichert.

Mit freundlichen Grüßen

Paul Ziemiak MdB Thorsten Schick MdL
Generalsekretär Fraktionsvorsitzender
Markus Höner MdL Bianca Winkelmann MdL
Vorsitzender Landesagrarausschuss stv. Fraktionsvorsitzende
Dr. Patricia Peill MdL
Landwirtin